Montag, 6. Dezember 2010

Weiße Sklaven oder Die Erfindung des Terrorismus.

Im Jahre 1729 veröffentlichte der Schriftsteller Jonathan Swift eine Satire, die ihn noch berühmter machen sollte, als er es schon war. Sie trug den genau so langen wie provozierenden Titel A Modest Proposal: For Preventing the Children of Poor People in Ireland from Being a Burden to Their Parents or Country, and for Making Them Beneficial to the Public. In einer Sprache kühlster wissenschaftlicher Präzision forderte Swift schier Unglaubliches: Eat the poor! In seiner Schrift wies er anschaulich den ökonomischen Nutzen nach, die Kinder der Armen ins Schlachthaus zu schicken. „Gesotten, gebraten, gebacken, gekocht“ könnten sie zum köstlichsten Nahrungsmittel werden, ihre Haut zudem zur Herstellung feiner Damenhandschuhe dienen. Indem er sie spiegelte, legte er die Heuchelei Englands bloß und traf die Engländer an einem empfindlichen Nerv: Kein Mensch lässt sich gern als Kannibale empfehlen. Mit seiner gleichfalls rhetorischen wie unerträglichen Frage: Warum sollten die Engländer nicht auch die Kinder Irlands verschlingen, wenn sie schon das Land verschlungen hatten? provozierte er jedoch nicht nur die britischen Besetzer und Besitzer Irlands, sondern auch ein Nachdenken über die Ursachen der Überbevölkerung, der Armut und der Kriminalität in Englands Kolonie. Liest man diesen Text, versteht man, dass die Iren europäische Neger waren. Man versteht auch, warum das Erbe der englischen Kolonialzeit so nachwirkt, wie es heute nachwirkt.

Der ehrenhafte Swift, der die Verrücktheit Englands anprangerte, wurde von den Iren zum Ehrenbürger Dublins gekürt und von den Engländern für verrückt erklärt. Letztere steckten ihn ins Dubliner Irrenhaus, das er selbst mitfinanziert hatte.

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