Mittwoch, 28. November 2012

Sag ja


Vor den Worten war die Dunkelheit, vor dem Verstehen war das Schweigen. Das Schweigen ist die Stille und ist der Lärm. Gegen die Dunkelheit, gegen die Stille und gegen den Lärm, helfen die Worte. Man kann die Worte sprechen, man kann sie singen, man kann sie verstehen.

Herr Maffrodit spricht, er sagt etwas, er sagt ja, er singt ja, er bedankt sich artig bei Herrn F. und singt, stellvertretend für alle Frauen von Welt, ein Lied für Meta. Er will verstanden werden.


 



Sichzusammenreißen


Fast alles, was ich, Herr Maffrodit, über die Liebe und das Leben weiß, weiß ich von meinem Vater, Pasiphaë, und weiß ich von meiner Nichte, Meta. Mein Vater war, Sie wissen es, ein Genie. Bevor die Menschen sein Genie erkannt hatten, war er berühmt. Nachdem sie sein Genie erkannt hatten, beschlossen sie, ihn nicht mehr zu kennen. Die Menschen wollen nun mal in Ruhe weiterleben. Genies stören nur und immer. Was aus Meta werden wird, steht in den Sternen, deren jeder, bekanntlich, ein bisschen Recht hat. Ich will zum Gegenstand kommen.

Wer liebt, ist entweder glücklich oder verzweifelt. Natürlich ist er beides, Glück ist ohne Verzweiflung nicht zu haben. Das Dilemma scheint nicht lösbar zu sein, darum wird so viel über die Liebe geschrieben und gesungen. Vater sagte, sie sei ein Ding der Unmöglichkeit. Andere meinen, sie ähnele dem Krieg, tue weh oder sei böse. Beides stimmt, wenn wir ängstlich im Hier und Heute verweilen, und stimmt nicht, wenn wir mutig nach vorn blicken und aufmerksam lauschen, was uns die Glocken des Fortschritts läuten. Dann werden wir hören, dass eines Tages die Freundlichkeit und das Klugsein in der Welt sein und das Kämpfenwollen und die Moral ausgedient haben werden – dann werden wir hören, dass wir den Diamanten, der die Liebe ist, bald bergen, bewundern und genießen können. Bis dahin gilt es, Haltung einzunehmen oder zu bewahren. Es gibt, wie immer, zwei Wege. Links entlang zu gehen, ist, in seiner Verzweiflung glücklich zu sein (es ist der klassische Weg, Goethe ging ihn); rechts entlang zu gehen, ist, an seinem Glück zu verzweifeln (es ist der romantische Weg, Werther ging ihn). Ersteres bringt einen weiter, letzteres macht einen krank.

Die Liebeskrankheit ist, wie jedes andere Leid auch, eine Form des Sichgehenlassens. Sichgehenlassen kann süchtig machen. Es heißt nicht ohne Grund Sehnsucht. Sehnsucht ist, wie jede Sucht, der unbezwingbare Wunsch, sich etwas, in diesem Fall jemanden, einzuverleiben. Das Bild ist düster, wenden wir unseren Blick in hellere Gefilde: Wer glücklich statt verzweifelt sein, wer lieben statt leiden, wer also leben will, hat sich zusammenzureißen.

Wenn ich, wie im Märchen, drei Wünsche frei hätte, würde ich mir wünschen, auch Sie, die Sie so freundlich sind, meinen Gedanken zu folgen, störten (1) die gemeine Ruhe, die nur Trägheit ist, pfiffen (2) auf das falsche Leben, das die Liebe vereitelt, teilten also (3) die große Lust am Sichzusammenreißen.


Rocko Schamoni:
Lieben, Lieben heißt leben lernen /
Liebe greift zu den Sternen /
Lieben heißt abzugeben, das Leben...