Donnerstag, 21. Oktober 2010

Konsequenz.

Wer sagt, nur der könne einschätzen, was es heiße, satt zu essen zu haben, der auch hungere, dem sollte schleunigst eins in die Fresse gehauen werden mit der satten Rechtfertigung, dass er ja sonst gar nicht wissen könne, wie schön es sei, wenn der Schmerz nachlässt.

Freitag, 15. Oktober 2010

Binsenweisheit des Tages.

Wenn man einmal erkannt hat, dass man an allem, was einem widerfährt, selbst Schuld ist, dann weiß man endlich, dass man alles ändern kann.

Dienstag, 12. Oktober 2010

Stuttgart 21

Die weise Weisheit der Befürworter des Projekts, sie geht so: Es gibt keinen Grund, einen Bahnhof nicht zu bauen, den kein Mensch braucht.

Freitag, 1. Oktober 2010

Was Sie schon immer über die DDR wissen wollten, aber bisher nicht zu fragen wagten

Die DDR wurde geboren als Antwort auf das erheblich laut fordernde Plärren des Säuglings von nebenan. Manche sagen, sie sei die Nachgeburt der Bundesrepublik, andere meinen, sie besser als Früh- oder Sturzgeburt bezeichnet zu sehen. Jedenfalls geschah das Ganze am 7. Oktober 1949 auf Anordnung der sowjetischen Besatzungsmächtigen. Diese wiesen auch an, dass die DDR ein sozialistisches Land mit einer sozialistischen Einheitspartei zu sein habe.

Da die sowjetischen Besatzer dem kehrtwendigen Rotgewordensein der Ostzonenbevölkerung misstrauten (es widersprach ihrer Erfahrung), beschlossen sie auch, diese beschatten zu lassen durch sich selbst. Das war zwar weder für die Beschatteten noch für die Beschatter schön, aber man darf nicht vergessen, was die Deutschen so getrieben hatten die Jahre zuvor; und eine „Auge-um-Auge,-Zahn-um-Zahn“-Rache hätte durchaus anders ausgesehen. Jedenfalls brauchte es seine Zeit, bis man in Moskau einsah, dass DNS nicht in jedem Fall Deutscher National-Sozialist bedeutet, man also die Geburt vieler neuer Menschen und den Beginn der Zukunft getrost und frohgemut erwarten durfte. Noch war es aber nicht so weit, noch herrschte Skepsis.

Selbst drei Jahre nach Gründung der DDR war das Misstrauen so groß, dass Stalin vorschlug – nachdem das Ostvolk auf typisch deutsche eisen- und uranharte Weise sämtlichen von den Russen an die Deutschen gerichteten Reparationsforderungen Folge geleistet hatte, die DDR abzutreten an den Westen mit der billigen Forderung, dass ein militärisch neutrales Großdeutschland zu entstehen habe. Die so genannte Stalin-Note stieß jedoch auf taube Ohren im neuen westlichen Nachbar-Kirchenstaat „prä- und postfaschistischer Anmutung“ (Gerhard Zwerenz). Die im Westen in Amt und Würden verbliebenen Generäle und akademischen Triebtäter waren längst aus ihren tausendjährigen Träumen erwacht und eifrig und diszipliniert mit ordentlichen Wiederbewaffnungs-, Aufrüstungs- und Bundeswehrgründungsplänen beschäftigt.

Väterchen Stalin brach darauf das Herz
Ein Jährchen später – just am 5. März


Die SED hingegen jubelte; sie durfte endlich ihre Wiedervereinigungspläne aufgeben. Einzig Wolfgang Harich wird bis 1956 nicht begriffen haben, woher der neue Wind wehte. Er glaubte, den Westdeutschen ein wiedervereinigtes großsozialistisches Deutschland schmackhaft machen zu dürfen. Er stellte ihnen in Aussicht, den siegreichen Russen einen großen Teil der ihnen zugestandenen ehemaligen deutschen Gebiete abluchsen zu können. Der russische Bär war not very amused: Harich musste hinter Gitter und durfte dort die Grenzen seines Größenwahnreiches abwandern - in Tagträumen:

Als Wolfgang Harich sprach: „Das Volk braucht Raum“,
ließ man im Knast ihn schäumen: Aus der Traum.


Wieder ins Jahr 1953: Endlich von Stalins Adleraugenblick befreit, erhöhte die Arbeiter- und Bauernregierung des Arbeiter- und Bauernstaates die eh schon hohen Arbeitsnormen derart drastisch, dass die Arbeiter auf die Straße gingen, um gegen die Normen (und für Anstand und Vernunft) zu protestieren. Dies geschah am 17. Juni 1953. Sowjetische Panzer fuhren auf, die Arbeiterregierung ließ auf die Arbeiter und viele von ihnen totschießen. Es war der erste Schritt in Richtung Abgrund, noch war es aber nicht zu spät (und immerhin hatte auch die westdeutsche Polizei bereits einen Toten auf dem Gewissen: den FDJ-ler Philipp Müller).

Der Westen sah sich bestätigt und hatte wenigstens einen guten Grund, seine Bundeswehr zu gründen im Mai 1955. Die DDR zog ein gutes halbes Jahr später, am 1. März 1956, mit der Gründung der Nationalen Volksarmee nach. Deren einziger guter Gründungsgrund war, das militärische Gleichgewicht, wie man damals sagte, schnell wiederhergestellt zu haben. Im selben Jahr brodelte es wieder heftig, vor allem im befreundeten Ungarn. Auch hier ließ die Rote Armee nichts anbrennen, und wer Zweifel an deren Vorgehen zeigte, hatte durchaus mit Unannehmlichkeiten zu rechnen.

Wirtschaftlich ging es auch nicht so richtig voran im kleineren und jüngeren Deutschland. Die Reparationsleistungen lasteten auf den Schultern der Bevölkerung und auch die Tatsache, dass sich die Sowjetunion dagegen entschieden hatte, die Menschen in ihrer Besatzungszone an den Annehmlichkeiten des Marshall-Plans teilhaben zu lassen. Viele Menschen waren sauer und gingen in den Westen, wenige andere jedoch kamen gerade in dieser Zeit in die DDR – nicht nur die Kasners aus Hamburg.

Ein paar Jahre schaute die Regierung dem Spektakel zu, dann wurde ihr von diesem durchaus einseitigen Hin und Her furchtbar schwindlig, und sie entschied sich weise, eine ganz neue Art von Protektionismus in die Tat umzusetzen, welcher dem wirtschaftlich potenteren Nachbarn von nun an nicht nur die vielen billigen, willigen und exzellent ausgebildeten „Gastarbeiter“ vorenthalten sollte, sondern auch – und das war unerhört neu – diese einzumauern trachtete in volkseigenem Beton und Draht. Das geschah im August 1961. Derart geschützt vor sich selbst, vor dem ausbeutenden Feind und vor der Gefahr, das Heimatland ins patriotische Herz schließen zu können, schwärmte manch einer vom „schönsten Erdenwunder“, wenn er an der Mauer entlangspazierte und ihm die Kugeln um die Waden pfiffen wie sonst nur in den Romanen von Ernst Jünger.

Die Künstler des Landes lasen vor lauter Freude Kartoffeln (Bitterfelder „Holz“-Weg), die Arbeiter schmiedeten Werkstattverse (Werner Voigt), die Wissenschaftler schwelgten in kybernetischen Höhen (Georg Klaus), und die Sportler errangen einen Sieg nach dem anderen für den Sozialismus (Christin Otto). Alles ging seinen sozialistischen Gang (Wolf Biermann), doch als der sächsische König (Walter Ulbricht) auch noch die Wirtschaft des Landes auf Vordermann bringen wollte (NÖS), wurde er ganz böse angeschaut von seinen sowjetischen Brüdern und Schwestern. Der Putsch gegen ihn ließ nicht lange auf sich warten: im Mai 1971 war es so weit und die nächste Chance, den Untergang abzuwenden, vertan.

Es wurde ein neuer König gekrönt (Erich Honecker aus dem Saarland), der erklärte erst die ganzen neumodischen Gespinste seines Vorgängers für Schnickschnack und läutete dann die Epoche der Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik ein. Diese Zeit des ersten von einer Regierung angeordneten Bummelstreiks in der langen Geschichte der Menschheit lässt sich in zwei Zeilen fassen:

Die DDR – sie war ein kleines Land
In dem es still war und die Zeit still stand.


Diese Zeit gipfelte in dem Glauben an die Möglichkeit, sich den Sozialismus durch den Kapitalismus finanzieren lassen zu können (Milliardenkredit der BRD an die DDR).

Im Herbst 1989 kam dann mit den ersten Stürmen eine große Unruhe auf, die Bürger waren endlich missmutig genug ob des staatlich verordneten Müßiggangs und der romantischen Einfalt ihrer Staatsführung – im Gegensatz zu dieser wollten sie der DDR eine wirkliche Chance zum Überleben geben; großzügigerweise sogar zwei: Sie sagten: Reformier dich, olle DDR, dann haben wir dich wieder lieb; oder schlage, falls dir das nicht gelingen will, wenigstens den chinesischen Weg ein. Die DDR aber war schon zu schwerhörig (oder auf Empfehlung des großen sozialistischen Bruders angehalten worden, wegzuhören). Sie entschied sich für den dritten Weg, den leichtesten: Statt etwas souveräner in der Zweiten Liga zu spielen, hockte sie sich auf die Ersatzbank des selbst ernannten Exportweltmeisters – ohne Chance natürlich, jemals eingewechselt zu werden. 1990 war es dann vorbei mit ihr und auch mit dem aufrechten Gang, den ein großer Teil der DDR-Bürger im Herbst 1989 probiert hatte. Schnell wurde klar, dass es im bald wiedervereinigten Land darauf ankommen sollte, flexibel (biegsam) zu sein.

Hinterher fragten sich alle, die noch die Muße hatte, sich etwas zu fragen, wie es so weit habe kommen können; warum die Bürger, nachdem sie sich nach vierzig Jahren im Herbst 1989 ihr Land gegen jede Wahrscheinlichkeit endlich erkämpft hatten, es im März 1990 kampflos (und scheinbar kopflos) wieder aufgaben, ob es nicht anders hätte kommen können und was sich daraus lernen lasse. Auf der Hand lag, dass die zwangsvereinigte Linke, die sich SED nannte, einem sozialistischen Staat vorstand, der zur bloßen Diktatur missraten war. Irgendwann musste das selbst den Betonköpfen im Staatsapparat klargeworden sein, darum nannten sie das, was war, real existierender Sozialismus. Real war aber nicht der Sozialismus, sondern sein Misslingen (Gerhard Zwerenz). Und dieses hatte weniger ökonomische als politische Gründe (dass die DDR an ihrem Ende auch wirtschaftlich am Ende war, stimmt zwar, hatte seine Ursache jedoch weniger in der misslichen zentralen Planwirtschaft, sondern in der Entscheidung der am 18. März 1990 frei und geheim gewählten konservativen Regierung, die von Horst Köhler und Thilo Sarrazin empfohlene durchaus überhastete und jeglicher ökonomischen Vernunft Hohn sprechende Währungsumstellung mitzutragen). Schwerer wog, dass die zweite der beiden Voraussetzungen für die freie Entfaltung der kostbarsten Unterschiede der Menschen nicht gegeben war: Die DDR-Bürger waren wohl ökonomisch autonom (und auch dies nur auf vergleichsweise niedrigem Niveau), jedoch nicht politisch.

Die tagtägliche massenmediale Erwähnung des zuletzt genannten Missstands wird heute gern mit der rhetorischen Frage kombiniert, ob die DDR ein Unrechtsstaat gewesen sei. Die klügeren der Fragesteller wissen, dass der Begriff „Unrechtsstaat“ Blödsinn ist. Was sie mit ihren Fragen sagen wollen, ist, dass die DDR kein Rechtsstaat war – abgesehen davon, dass die Bürger der DDR eine durchaus vollkommene Scheidungs- und Abtreibungsrechtssicherheit genießen durften. Die DDR war ein angefangener und abgebrochener Linksstaat, sie war zudem ein Land, welches es zeitlebens nie verstand, sich einen zungengerechten Namen zu geben. „Wie soll da Vaterlandsliebe entstehen?“, fragte der Dichter Peter Hacks.

Immer wieder werden DDR und Drittes Reich von Richtigdenkern als die beiden Diktaturen auf deutschem Boden empfohlen. Die Gleichsetzung wird gern mit einem Blick in und auf die Zahlen begründet: Die DDR produzierte im Laufe ihres vierzig Jahre währenden Bestehens ungefähr 1.000 politische Tote, die Naziherrschaft in zwölf Jahren 55 Millionen (die Weimarer Republik – dies als Vergleich – schaffte es in ihren wenigen Jahren immerhin auf 10.000; die Bundesrepublik ist gerade dabei, kräftig aufzuholen (Jugoslawien, Afghanistan)). Was weniger oft gesagt wird, weil es selbstverständlich ist, ist, dass die DDR für die deutschen Kommunisten das war, was Israel noch immer für die Juden der Welt ist: ein Fluchtpunkt.

Einig sind sich aber alle darin, dass der Sozialismus im Osten eine gute war Sache – zumindest für die Mehrzahl der Menschen im Westen.

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Andere über die DDR:
„In der einen DDR haben wir gelebt, die andere haben wir in der Zeitung gelesen, und von der dritten haben wir geträumt.“ (Klaus Renft, 1997)

„Die DDR war, wenn man eine Formel sucht, unglückliche Gleichheit.“ (Klaus Wolfram)

„Selbst wenn man ihnen (den grobschlächtigen und geistlosen Herren an der Spitze des Staates) zugesteht, dass sie keinen Krieg wollten, war doch das gesellschaftliche Klima dank diverser Sicherheitsorgane verdorben.“ (Friedrich Schorlemmer, 2009)

Binsenweisheit des Tages II

Es dürfte die Mehrheit der Menschen sein, die weniger durch Einfalls- als durch Einfaltsreichtum auf sich aufmerksam macht.

Juli Zeh

Statt, wie es sich für eine der aufgewecktesten Schriftstellerinnen ihres Landes gehörte, ihr Publikum mit scharfsinnigen Geschichten zu verwöhnen, scheint sie nur drauf aus zu sein, zu beweisen, wie blitzgescheit sie ist. So wat nervt natürlich.

Jonathan Meese

Jonathan Meese ist ein Provokateur allererster Güte. Die Dummen provoziert er zu Poltereien gegen den Weltgeist, die Klugen provoziert er zum Nachdenken. Er entlarvt die Tölpel und schärft die Sinne der Gescheiten. Mit anderen Worten: Jeder sowohl anständige wie vernünftige Mensch dürfte dankbar dafür sein, dass es Romantiker wie Meese gibt.

Binsenweisheit des Tages I

Man erkennt einen Idioten am verlässlichsten daran, dass er keine Gelegenheit auslässt, zu versuchen, Goethe madig zu machen.